Ich setze mich an den Schreibtisch, klappe meinen Laptop auf, die Kaffeetasse ist warm zwischen meinen klammen Händen. Ich ziehe meine Nase hoch. Ich bin nicht krank. Ich kann arbeiten. Alles easy.
Ich gucke, was ich heute erledigen muss. Okay. Kriegst du hin. Geht schon, schreiben kannst du.
Der Cursor blinkt schon viel zu lange. Schon ganze fünf Minuten wartet er auf meinen neuen Buchstaben. Zehn Minuten. Fünfzehn Minuten. Wieder muss ich hochziehen. Vielleicht sollte ich ausschnauben. Geht schon, ich kann einfach hochziehen. Ist ja niemand da, den es stören könnte.
Genervt stehe ich auf. Das kann doch nicht so schwer sein. Sonst kriege ich das doch auch hin.
Vielleicht sollte ich doch zum Arzt gehen. Aber bin ich überhaupt… krank genug? Schließlich hat der Arzt Besseres zu tun, als sich um mich zu kümmern. Ich, die nur manchmal die Nase hochziehen muss und so viel hustet, dass sie Halsschmerzen davon bekommt.
Auch wenn ich es nicht wahrhaben will, aber so kann ich morgen in einem meiner Nebenjobs nicht arbeiten. Ich meine, wenn irgendjemand meine roboterhafte Stimme hört, kriegt er doch einen Schreck. Eine Krankschreibung wäre also eher für das Wohl der anderen Menschen. Ich tue das für andere, nicht weil ich krank bin und zu hause bleiben sollte. Nein, denn es geht schon.
Die Fahrt zum Arzt plagt mich das schlechte Gewissen. Menschen, die mich mit ihren Blicken verurteilen: „Ach, du sagst also du bist krank, aber kannst noch zum Arzt fahren? Soso.“
Ich huste und blicke mit mürrischem Blick aus dem Fenster. Sie haben Recht. So krank kann ich doch wohl nicht sein. Und das Fauxpas mit dem Artikel heute Morgen? Ich kann mich doch wohl einfach anstrengen.
Auf mein „Ich bin krank, erkältet, Halsschmerzen, Husten, Rotze“ erwidert der Arzt nicht viel. Er macht nur „Mhm“, kratzt sich am Bart, „Brauchen Sie ’ne Krankschreibung?“ Ich nicke. „Gut, kriegen Sie gleich. Bis wann brauche Sie die?“ – „Bis Donnerstag“, sage ich. Nach zwei Tagen werde ich ja wohl wieder okay sein. Der Arzt schaut mich etwas skeptisch an, nickt dann aber. „Danach gehen Sie nach Hause und kurieren sich aus.“
Auskurieren. Ich hasse dieses Wort. Wenn andere es sagen „Ich habe mich am Wochenende mal auskuriert.“ dann ist das vollkommen legitim für mich. Wie schön, dass die Person, sich Zeit nimmt und auf sich selbst aufpasst. Wenn ich das allerdings machen soll… Nein, tut mir leid, aber das kommt für mich nicht in Frage. Ich und Auskurieren? Nein, das brauche ich nicht. Von was muss ich mich denn auskurieren? Vom Schreiben? Von einer Schnöfnase? Nein. Viel zu viel zu erledigen.
Wieder bei mir zu Hause, halte ich es genau eine halbe Stunde auf dem Sofa aus, bevor ich aufstehe und zum Schreibtisch gehe. Wenn du nicht arbeitest, verdienst du auch kein Geld als Freiberuflerin. Und es geht doch schon! Gut, heute Morgen vielleicht nicht, aber das lag wahrscheinlich auch daran, dass es sieben Uhr morgens war. Klar, bist du ein Morgenmensch, aber vielleicht nicht jeden Morgen…?
Ich atme laut durch den Mund aus, um mich aufs Schreiben vorzubereiten, was in einem Hustanfall endet. Fünf Minuten ringe ich um meine Lunge und mein Leben! Geschlagen lasse ich mich wieder auf mein Sofa fallen. Okay, vielleicht brauche ich wirklich etwas Ruhe. Noch eine halbe Stunde sollte gehen.
Ich suche mir ein YouTube-Video raus und aktiviere den Autoplay, weil ich die Last der Auswahl der Videos an den Algorithmus abgeben möchte. Nach zehn Minuten bin ich eingeschlafen. Vielleicht muss ich mich doch auskurieren. Geht schon…