Als ich in Hamburg unterwegs war, fiel eine gesamte S-Bahn-Linie aus und als Alternativen dienten die Regionalbahnen. Natürlich waren die wenig zur Verfügung stehenden Bahnen nicht dafür gemacht, eine ganze S-Bahn-Linie auszugleichen. Dementsprechend waren die Bahnen heißbegehrt und mit Leuten zugequetscht. Ich war einer dieser Leute.
Gestresst und verschwitzt laufe ich den Bahnsteig entlang, wühle mich durch die Massen von Menschen bis ich zu einer Tür des Zuges gelange. Ich drücke den Türknopf und erwarte Menschen, die wie Tetris-Steine gestapelt sind (fehlt nur noch, dass sie sich in der unteren Reihe auflösen), doch stattdessen schlägt mir gähnende Leere entgegen.
„Fährt dieser Zug nach [Station, zu der ich muss]?“, frage ich den jungen Mann, der sich gerade seine Kopfhörer in die Ohren schiebt.
„Ja“, antwortet er.
„Danke“, erwidere ich, „ich frage deswegen, weil es hier so leer ist.“
„Ja“, er nickt, „das kommt, weil sich die ganzen Leute gerade in die ersten drei Wagen quetschen. So viel zur Schwarmintelligenz.“
„Oh“, mache ich, schnaufe und suche mir einen Sitzplatz.
Ja, so viel zur Schwarmintelligenz. Momente, wie diese lassen mich daran zweifeln, ob wir 1. tatsächlich das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planeten sind und 2. ob es die Schwarmintelligenz wirklich gibt.
Doch kommen wir zunächst zu den Fakten: was ist Schwarmintelligenz?
Kurz zusammengefasst ist Schwarmintelligenz die Fähigkeit einer Gruppe zu sinnvollem Verhalten. Dabei wird behauptet, dass das Kollektiv zusammen bessere Entscheidungen treffen kann, als der einzelne es könnte.
An sich ist Schwarmintelligenz nichts schlechtes und sie existiert auch. Bestimmt auch bei uns Menschen, aber irgendwie… glaube ich nicht daran. Denn wenn ich eins gelernt habe in den letzten Jahren, dann dass die Masse faul und dumm ist.
„Schwarmintelligenz“ ist auch eines der Worte, die auf den Werbeplakaten von der Partei „dieBasis“ stehen. Damit habe ich ein Problem, denn zu behaupten, dass die Schwarmintelligenz beim Menschen etwas ist, worauf man den deutschen Rechtsstaat stützen kann, ist fragwürdig.
An sich ist der Grundgedanke, dass mehr Entscheidungen von dem Volk mitbestimmt werden sollten, gut. Vielleicht sogar demokratischer. Aber… gucken wir uns dieses S-Bahn-Szenario an, bin ich mir da nicht so sicher.
Des Weiteren, wissen wir alle, wie zeitfressend und absolut nichtsbringend das Smartphone an sich ist: lichtgefluteter Bildschirm ist besonders vor dem Schlafengehen schädlich; ständige Push-Notifications, für die du ständig erreichbar sein musst; endloses Scrollen auf social media. Trotzdem nutzen wir das Ding täglich und zwar mehr oder weniger freiwillig. Weil eben Glückshormone bei Benutzung ausgeschüttet werden.
Letztendlich ist der Mensch ein Gewohnheitstier und die meisten Menschen, die sich nicht politisch engagieren wollen einfach nur in Ruhe ihr Leben leben und überlassen anderen gerne die Last der Entscheidungen, die für ein Zusammenleben wichtig sind. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich möchte das auch. Du sicherlich auch.
Doch das heißt gleichzeitig auch, dass der Großteil der Menschheit bequem ist und sich über viele Dinge, die nicht in ihrer Bubble liegen keine Gedanken macht. Und solche Menschen, welche sich sonst nie mit politischem Zeugs beschäftigen, sollen dann auf einmal in politische Entscheidungen miteinbezogen werden? Also ich möchte da nicht miteinbezogen werden, denn ganz ehrlich, ich kann euch nicht mal erklären, wie genau die Bundeskanzelerin gewählt wird.
Wir sehen ja jetzt schon im Internet wie es ist, wenn Leute, die absolut gar keine Ahnung von einem Thema haben, trotzdem ihre Meinung zu allem dazugeben. Selbst wenn es sie überhaupt nicht betrifft. Zum Beispiel Männer mittleren Alters, die so tun, als würde sie auf einmal interessieren, welche Hautfarbe eine Meerjungfrau hat, obwohl sie von den Disney-Charaktern bisher nur Mickey Mouse kannten.
Am Ende des Tage sind wir alle nicht so schlau und wichtig wie wir denken. Und das ist auch okay, solange wir in unserem eigenen Leben die schlauste und wichtigste Person sind.