Ich bin häufig in den YouTube-Sphären unterwegs (eine SEHR aufgehübschte Beschreibung von der tatsächlichen Tatsache, dass ich viel zu viele Minuten meines Tages damit verbringe schweigend auf einen Bildschirm zu starren) und habe in letzter Zeit immer öfter Videos gesehen, in denen YouTuber ihren Rückzug von social media verkünden, weil sie ein Burn Out oder eine andere mentale Krankheit dadurch entwickelt haben. Die Kommentare unter diesen Videos sind einige „Oh mein Gott, meine arme Süße, du schaffst das schon du bist so eine starke Frau, nimm dir alle Zeit, die du brauchst, wir sind immer hier für dich“ und sehr viel häufiger auftretende „Heul nicht rum und such dir einen richtigen Job“. Und ich frage mich: hä?

Etwas ähnliches wurde auch mal über mich gesagt. Als meine Mutter ihrem Chef erzählte, dass ich eine Ausbildung zur Synchronsprecherin mache, meinte dieser: „Aber das ist doch nur vorlesen.“

Ich behaupte einmal ganz kühn, dass YouTuber oder alle social media Stars irgendwie Künstler sind? Zumindest kommen sie dem Beruf des Künstlers am nächsten. Sie müssen (fast) jeden Tag irgendwie kreativ sein, sich etwas (vermeintlich) neues ausdenken.

Künstler arbeiten auch. Nur weil Kunst nicht klar zu definieren ist, heißt das nicht, dass sie nicht auch anstrengend sein kann. Ich kann so kreativ sein wie ich will und mir die tollsten Geschichten in meinem Kopf ausdenken, aber wenn ich sie nicht aufschreibe, kann ich auch keinen Profit daraus schlagen. Kunst ist immer mit Arbeit verbunden.

Außerdem sollte man nicht unterschätzen wir anstrengend es ist, jeden Tag von mehreren fremden Personen zu hören, wie sie dich finden, wie sie das finden, was du machst und wie siehst du schon wieder aus? Bist fett geworden. Geht es dir gut? Ich glaube nicht, dass der Mensch dafür gemacht ist, so viele Meinungen über sich zu hören, egal ob positiv oder negativ.

Solche „Diskussionen“ gab es auch in Bezug auf Hausfrauen. „Den ganzen Tag zu Hause bleiben? Ich wünschte, ich könnte das auch.“ Die Erkenntnis, dass Hausfrau zu sein, genauso eine Arbeit ist, wie jeden Tag ins Büro zu fahren und dort zu arbeiten, kam sehr viel später bei der breiten Masse an und bei einigen ist sie wahrscheinlich noch gar nicht angekommen.

Einen ähnlichen Trugschluss gibt es in Bezug auf Selbstständige und Freiberufler: „Selbst entscheiden, wann ich arbeite und wann nicht? Das würde ich auch gerne.“ Klar, kann man das entscheiden, wann man arbeitet, aber es ist auch gleichzeitig die Entscheidung, ob man diesen Monat seine Miete bezahlen möchte oder nicht. Ob man essen möchte, oder nicht. Denn, wenn du nicht arbeitest, verdienst du auch nichts. Entspannt.

Diese Vorstellungen von freiberuflichen Arbeiten sind natürlich sehr romantisch (und nicht wahr), weswegen sie auch harsch „kritisiert“ werden. Und zwar auf eine Art und Weise, die suggeriert: „Nee, tut mir leid, aber du darfst keinen Job machen, der dir Spaß macht, dann ist das nämlich keine richtige Arbeit.“

Nur unzufrieden bist du legitim. Nur eine Arbeit, die du nicht magst, ist legitime Arbeit. Nur das ist „richtige“ Arbeit.

Was ist „Arbeit“ denn überhaupt? Ist Arbeit nur eine Tätigkeit, die mich körperlich erschöpft und die mir letztendlich Geld einbringt? Arbeit kann auch mental bzw. psychisch erschöpfen.

Am Ende ist es doch egal, was wir für eine Arbeit machen, solange wir mit uns selbst im Reinen sind.

Und schlussendlich: warum können wir uns nicht auf unsere Scheiße konzentrieren und müssen immer so tun, als wäre unsere Meinung, mit denen wir das Leben anderer kritisieren, irgendwie wichtig.

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