Als die Jury ihr Urteil zugunsten Johnny Depps verkündet, hat die Gerechtigkeit gesiegt und die Welt ist wieder in Ordnung. Alle haben sich wieder lieb und alle bekommen das, was sie verdienen… oder?
Denn, wenn uns eins in diesem ganzen Prozess auffallen konnte, ist es die Tatsache, dass der Frauenhass mal wieder durch die Decke geht. Gerade jetzt, wo das Urteil gegen Amber Heard ausfällt.
Versteht mich bitte nicht falsch! Ich bin der festen Überzeugung, dass Amber Heard auf jeden Fall nicht unschuldig oder alleiniges Opfer ist. ABER ich bin der Meinung, dass dieser Fall nicht ganz so schwarz und weiß ist, wie wir es alle gerne hätten. Und ich finde es bedenklich wie mit Amber Heard in den Medien umgegangen wird.
Zuerst zu den Fakten: Amber Heard hat 2018 einen Artikel veröffentlicht, in dem sie davon berichtete, dass sie Opfer häuslicher Gewalt sei. Sie nennt Johnny Depp nicht namentlich, gibt aber einige Hinweise, die auf ihn schließen lassen.
The Sun, ein Boulevard-Magazin, veröffentlichte sogleich einen Artikel, der Johnny Depp einen „wife beater“ nannte, also einen Frauenschläger. Eine ziemlich krasse und vorschnelle Formulierung, die nur auf einer Aussage beruht. Wo ist die Unschuldsvermutung, der Ruf nach Beweisen? Aber gut. Johnny Depp klagte gegen diesen Artikel, verlor den Fall jedoch.
Die Folgen dürften uns allen bekannt sein: Warner Bros. wirft Johnny Depp kurzerhand aus der Filmreihe „Phantastische Tierwesen“ als Grindelwald raus. Auch die „Fluch der Karibik“-Reihe ist für ihn damit gelaufen.
Somit verklagt Johnny Depp seine jetzt Ex-Frau auf einen Schadensersatz von 50 Millionen US-Dollar wegen Verleumdung und Rufmord. Denn er behauptet, dass es eigentlich genau andersherum ist: er sei das Opfer und sie die Täterin. Die Gegenklage von Amber Heard ist doppelt so hoch, nämlich 100 Millionen Dollar. Insgesamt sechs Wochen dauert dieser Prozess, den Johnny Depp schließlich gewinnt, da die Beweislage gegen Amber Heard erdrückend ist.
Amber Heards Lüge ist gefundenes Fressen für Menschen, die sowieso schon etwas gegen Frauen haben. Und vor allem gegen das Recht sich gegen Missbrauch von männlicher Seite aufzulehnen.
Sobald die Vermutung da war, dass es genau andersherum ist, war Amber Heard zum Abschuss freigegeben.
Eine ihrer Aussagen, die den Satz „My dog stepped on a bee“ („Mein Hund ist auf eine Biene getreten“) beinhaltet wurde prompt zu einem meme und ihre gesamte Aussage wurde vom Internet wieder und wieder in den Dreck gezogen und sich darüber lustig gemacht.
Aber alles halb so schlimm! Sie ist doch die eindeztige Täterin und somit darf man sich über sie lustig machen. Sie hat es doch verdient.
Textnachrichten von Johnny Depp, wie zum Beispiel „Let’s Burn Amber“ („Lasst uns Amber verbrennen“) oder „Let’s drown her before we burn her!!! I will fuck her burnt corpse afterwards to make sure she is dead…“ („Lasst uns sie ertränken bevor wir sie verbrennen!!! Ich werde ihren verbrannten Leichnam vergewaltigen um sicherzugehen, dass sie tot ist…“) waren auf einmal gerechtfertigt. „Johnny hätte jedes Recht gehabt, dich umzubringen.“, lauten teilweise die Kommentare im Internet. Bitte was!?
Nein. Einfach nein.
Sie hat es verdient von einem Gericht verurteilt zu werden. Unser aller Handlungen haben Konsequenzen. Aber es hat niemand das Recht, auch nicht unser geliebtes Internet, über Menschen so hart zu urteilen, obwohl man sie eigentlich gar nicht kennt.
Amber Heard ist eine Frau und ein Mensch. Können wir also ihre Taten vor der Tatsache anprangern, dass sie ein schrecklicher Mensch ist und nicht alles darauf schieben, dass sie eine Frau ist? Wir können aus diesem Fall nicht einfach ableiten, dass alle Frauen schrecklich sind. Und vor allem können wir nicht ableiten, dass alle Frauen in Wahrheit lügen, wenn sie von häuslicher Gewalt berichten.
Gebe es solche Kommentare auch, wenn die Rollen vertauscht wären? Würde man sich so vehement für die Gerechtigkeit für Amber einsetzen?