Letztens war ich mit meiner besten Freundin in der Stadt unterwegs. Wir unterhielten uns nichtsahnend über die neuesten Entwicklungen in unserem Leben, als sich plötzlich ein junger Mann vor uns stellt und sagt: „Das interessiert mich nicht!“
Etwas perplex fragte meine beste Freundin: „Entschuldigung?“
„Das interessiert mich nicht! Was in eurem Leben vorgeht. Geht mir komplett am Arsch vorbei!“
Wir blinzelten beide nervös und ich erwiderte: „Aber… das war auch gar nicht an Sie gerichtet, sondern nur zwischen uns beiden.“
Provokant beugte er seinen Oberkörper vor. „Aber es ist mir egal!“
Nach diesen Worten drehte er sich um und ging zur nächsten Gruppe von Menschen, um ihnen das Gleiche zu sagen.
Diese Situation ist natürlich ausgedacht. Wäre ja auch ganz schön komisch, wenn man einfach so zu anderen hingehen würde und ihnen sagen würde, dass einen das Gesagte nicht interessiert und total blöd ist, nur um dann wieder zu gehen…oder?
Übersetzen wir diese Situation doch mal ins Internet: meine beste Freundin postet etwas über neue Entwicklungen in ihrem Leben, ich kommentiere darunter wie stolz ich auf sie bin und jemand anderes kommentiert wiederum darunter: „Das interessiert mich gar nicht!“ Immer noch etwas absurd, oder?
Okay, lasst es uns noch etwas anders darstellen. Eine Zeitung postet online einen Artikel zum Thema Oscar-Verleihung und jemand kommentiert unter dem Artikel: „Ach, wen interessieren denn noch die Oscars!? Also mich nicht!“ Schon etwas realistischer.
Ich finde es total absurd, wenn jemand, egal zu was, einen Kommentar schreibt, dass sie oder ihn das Gepostete nicht interessiert und man seine Zeit doch mit anderen Dingen füllen könnte. Ja, das stimmt wohl, dass man sich auch um andere Sachen kümmern könnte. Vermutlich auch sollte. Ich meine, wenn wir uns alle „mal kurz“ um den Klimawandel kümmern würden, wäre das Problem schneller gelöst als gedacht, aber uff.
Wenn es euch doch so gar nicht interessiert, wie der Kleiderschrank der Kardashians aussieht, warum habt ihr dann auf das Video geklickt? Einfach nur, um zu schreiben, dass es euch nicht interessiert? Wenn es doch wenigstens ein Kommentar wäre, der zum Nachdenken anregt. Wie zum Beispiel: „Ich finde es erschreckend, dass sich so viele Menschen dafür interessieren, was in dem Kleiderschrank von den Kardashians hängt, wenn wir uns doch um sehr viel realere Dinge kümmern sollten. Wie zum Beispiel XY.“
Klar, dieser Kommentar wäre immer noch etwas seltsam unter einem solchen Video, aber er wäre auf jeden Fall verständlicher formuliert und man könnte sich so auf eine Diskussion mit dem Autor einlassen, wenn dies denn auch vom Autor so gewollt ist. Aber einfach nur rauszuposaunen, dass es einen nicht interessiert, kommt mir doch etwas selbstdarstellerisch vor.
Womit wir auch schon beim Problem wären: in unserem kleinen Ameisendasein haben wir durch das Internet die Illusion entwickelt, dass alles wichtig ist, was wir denken. Und sei es noch so unbedeutend.
Die Menschen haben heute dank des Internets zu allem eine Meinung, egal ob sie sich für den Themenbereich interessieren oder nicht, egal, ob sie qualifiziert sind darüber zu reden oder nicht. Im echten Leben ist es doch auch nicht so, dass man einen Fußball-Trainer fragt, was er denn vom Corona-Virus hält (‚tschuldigung, die Regie sagt gerade etwas… mhm… das hat ein Reporter mal Jürgen Klopp gefragt!?).
Ich bin auch nicht unschuldig mit diesem Blog. Wie mich der Cursor kurz anblinkt, wenn ich aufhöre zu tippen… als würde er mich fragen, auffordern, danach lechzen, dass ich weiterhin meine unnötigen und uninteressanten Gedanken ins Internet schreibe. Der Cursor macht sie auf einmal interessant, natürlich so ist es. Wenn ich meine Gedanken tippe, sind sie real und richtig und toll. Er ist für mich da, er ist mein Fan. Und ich… ich bin der größte Fan von mir selbst, wenn ich das hier tippe. Wow, gut gemacht, Johanna, was für ein fantastischer Job!
Die Wahrheit ist: außerhalb unseres Freundes- und Bekanntenkreises interessiert es wahrscheinlich niemanden, was mit uns ist. So hart das auch klingt, aber ich denke, es ist der Dame, die zwei Straßen weiter von mir wohnt wohl ziemlich egal, ob ich auf einmal mit dem Kopf auf die Tastatur knallen würde und tot bbbbbbbbbbbbbbbbbbbbbbbiuhjnhhhhhhhhhhhhhhhhfffffffffffffffffffffffffgfggggggggggg
Ups, sorry, kurz eingeschlafen.
Natürlich klingt das erstmal doof, wenn man hört: „du, sorry, aber das, was du da gepostet oder kommentiert hast, das ist wirklich unwichtig.“ – „Aber Facebook hat mich doch gefragt: ‚Was machst du gerade?'“ Kurzum: das Internet gaukelt uns vor, dass alles, was wir denken, sagen und machen wichtig ist und jeden interessiert, aber das ist es nicht.
Wir Menschen sind, glaube ich, einfach nicht dazu gemacht, so viele Information zu besitzen, letztendlich macht uns das kaputt (s. Prüfen Sie, ob ihre Daten gefährdet sind). Nur weil wir alle möglichen neu veröffentlichten Artikel von DER SPIEGEL sehen, heißt es noch lange nicht, dass wir uns alle durchlesen müssen und dazu etwas schreiben.
Wenn ihr jetzt trotzdem zu allem eine Meinung im Internet haben wollt und diese auch kommentiert, dann ist das vollkommen okay. Das macht uns vielleicht auch irgendwo glücklich. Ich meine, ich werde diesen Blog wohl auch erstmal weiter schreiben, aber wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass wir alle nicht so gefragt sind, wie wir denken.
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