Als ich meine Ausbildung auf der Schauspielschule gemacht habe, habe ich viele Menschen mit einem riesigen Talent kennengelernt. Sie gingen auf die Bühne und lieferten ohne großartige Vorbereitung innerhalb weniger Sekunden eine Wahnsinns-Leistung ab. Ich war beeindruckt. Doch leider hatten viele dieser Meryl-Streep-Nachfolger eines gemeinsam: sie hatten nicht genug Disziplin. Bei den meisten scheiterte es schon daran, pünktlich zum Unterricht zu kommen.
Ich hatte eine junge Frau in meinem Semester, von der ich am Anfang nicht so überzeugt war. Aber jetzt ist sie eine der stärksten Schauspielerinnen, die ich kenne. Und sie hat die Arbeitsmoral einer Arbeiterameise.
Wenn es ums Schauspieltalent geht, würde ich mich als mittelmäßig beschreiben. Ich bin kein Berlin Tag und Nacht-Niveau, aber auch nicht und nächstes Jahr die Oscars-Level. Ich bin ok. Dadurch, dass ich gerade so genug Selbstdisziplin hatte, habe ich es geschafft, die Ausbildung abzuschließen. Fertig mit dem Lernen bin ich aber noch lange nicht bzw. werde es wohl nie sein.
Ich bin der Meinung, dass kreative Berufe, wie das Schauspielerin, aber auch das Zeichnen, Malen oder auch das kreative Schreiben tatsächlich nicht so viel mysteriöse künstlerische Kraft benötigen, wie es manchmal dargestellt wird.
Für jeden kreativen oder künstlerischen Beruf muss man ein Handwerk besitzen. Wenn man kreativ schreiben möchte, muss man sich das dazugehörige Wissen aneignen: wie strukturiere ich einen Text? Wie schreibe ich einen aufregenden Stil? Wenn ich einen Roman schreibe: wie spanne ich den Spannungsbogen? Wie lasse ich Charaktere glaubwürdig auftreten?
Auch für diesen Blogeintrag kann ich nicht einfach drauf los schreiben und „dann ist das schon etwas“, sondern er muss eine gewisse Struktur haben, damit man diesen Beitrag überhaupt lesen möchte. (Ihr wollt ihn doch lesen, oder!? Antwortet!)
Um es simpel auszudrücken: wenn ich eine Künstlerin bin und ich aus einem Block Stein eine Statue der Göttin Aphrodite meißeln will, muss ich erstmal lernen, wie man mit Hammer und Meißel umgeht. Nur weil ich eine Idee habe und vielleicht ein Gespür dafür wie die Proportionen der Statue sein müssen, meißelt sich die Statue nicht von selbst, geschweige denn genau richtig.
Natürlich kann es sein, dass einem einige Dinge leichter fallen als anderen, aber am Ende des Tages ist es die Disziplin und das Durchhaltevermögen, was einen durchbringt. Auch wenn meine ehemaligen Kommilitonen das Talent von ganz Hollywood aufwiesen, mussten sie genauso den Text lernen, wie wir anderen, die vielleicht „nicht so gut“ waren, auch.
Ich habe das Gefühl, dass viele die Kunst und Kultur in eine Ecke drängen und sagen: „Ah, die Künstler, die sind so, die haben das Talent für einen kreativen Beruf und dann machen die das einfach so, weil sie es halt können.“ Aber das stimmt nicht. Wenn man Bankkaufmann werden will, dann muss man auch Mathe können bzw. erlernen und dann lässt man sich ausbilden und kann irgendwann als Bankkaufmann arbeiten.
Momentan strebe ich danach besser zu schreiben. Ich lese Bücher von Autoren, die Bücher übers Schreiben geschrieben haben, schaue mir im echten Leben Dinge von anderen Autoren ab und tausche mich mit anderen Schreibenden aus. Dabei gibt es Ups and Downs (und wie es die gibt, bitte helft mir). An einem Tag denke ich, dass ich die Bestseller-Liste im Sturm erobern werden und an anderen Tagen denke ich, dass ich es niemandem antun sollte Zeilen von mir zu lesen. Und das ist normal (hoffe ich, oder!? Hallo!?). Ich lerne, ich versuche das Schreiben zu erlernen. So wie man versuchen würde eine andere Sprache zu erlernen oder eben eine andere Fähigkeit.
Ein Satz, der mich jedes Mal motiviert weiter zu machen, wenn ich mal gerade eine sehr niedergeschlagene Phase habe, ist dieser hier:
You can always fix crap, you can’t fix a blank page.
(Scheiße kannst du immer verbessern, eine leere Seite kannst du nicht verbessern.)
Am Ende des Tages braucht man für kreative Berufe genau das, was man auch in anderen Berufen benötigt: Leidenschaft, viel, viel Disziplin und Durchhaltevermögen. Talent ist ein Starthelfer, aber es bringt euch nicht durch den ganzen Sturm.