Es sind 30 Minuten, die ich benötige, um mit der Bahn von A nach B zu kommen. 30 Minuten, in denen ich realisiere, wie süchtig ich wirklich nach meinem Smartphone bin.

Als ich in die Bahn steige und in den ersten zwei Minuten der Fahrt die Menschen um mich herum beobachte (wie eine gute Deutsche das eben tut), sehe ich vor allem eins: herunterhängende Köpfe, die auf das flimmernde Display unter ihnen starren. Ich schaue aus dem Fenster und frage mich: wie ist das eigentlich bei mir?

Ich war noch nie jemand, der sehr lange am Stück auf ihr Handy glotzt. Ich checke meine Nachrichten nicht so oft wie andere. Es ist sowieso selten, dass mir jemand schreibt. „Ruf mich an, wenn du etwas von mir willst.“, sage ich jedem, der meine Nummer hat. Alle Gruppen, in denen ich bin, habe ich stumm geschaltet. Die Push-Benachrichtigungen für WhatsApp sind aus. Ich würde nicht behaupten, dass ich Angst habe, etwas zu verpassen. Ich leide nicht wirklich an FOMO (fear of missing out). Glaube ich zumindest. Insgesamt bin ich eher genervt von meinem Smartphone. Ich habe kein social media, also habe ich dadurch schon viel weniger auf meinem Smartphone zu tun, als die meisten anderen. Wie oft gucke ich denn eigentlich in einer Stunde auf mein Handy? Nicht so oft… oder?

Ich schaue auf meine Armbanduhr. Es sind noch genau 30 Minuten, die die Bahn benötigt, um an meiner Zielhaltestelle anzukommen. Schauen wir doch mal, wie lange ich brauche, um nach meinem Handy greifen zu wollen.

5 Minuten sind um. Es ist entspannt. Ich sehe aus dem Fenster, sehe Straßen, Wiesen, Bäume an mir vorbei fliegen. Wie schön ist es einfach nur zu schauen und Dinge auf sich wirken zu lassen. Ich sollte öfter spazieren gehen.

10 Minuten. Habe ich eigentlich an alles gedacht? Habe ich mich gut genug auf meinen bevorstehenden Termin vorbereitet? Auch nichts vergessen? Ich sollte kurz in der E-Mail nachgucken… Nein. Geht ja nicht. Natürlich habe ich an alles gedacht. Ich bin so aufgeregt, dass ich zu hause schon am Vortag alles zurechtgelegt habe. Wann vergesse ich denn mal etwas. Okay… oft. Aber nicht wenn es wichtig ist!

15 Minuten. Ich frage mich, ob mir mein Kumpel schon geanwortet hat. Wenn er keine Lust auf das vorgeschlagene Café hat, muss ich mir etwas anderes als Unternehmung einfallen lassen… Stopp. So schnell wird er nicht geantwortet haben und bis Freitag dauert es noch. Also genug Zeit sich etwas anderes zu überlegen. Und sonst kann er ja auch eine andere Sache vorschlagen. Ein weiterer Blick auf die Uhr. Erst 15 Minuten sind um? Die Bahnfahrt kommt mir so lange vor. Kein Wunder, ohne Ablenkung.

20 Minuten. Langsam wird es doch irgendwie schwer und tatsächlich setzt irgendwo die FOMO ein… Aber warum? Es wird mir niemand in diesen 20 Minuten mehrere Nachrichten geschrieben haben. Niemand antwortet in 20 Minuten auf eine E-Mail… oder? Ich meine, bei der einen warte ich wirklich dringend auf eine Antwort… Nein. Stopp. Ich setze mich gerade hin. Was passiert hier gerade? Ich bin doch bescheuert.

25 Minuten. In diesen 25 Minuten hätte ich tatsächlich schon mehrere Male auf mein Smartphone geschaut. Ich bin überrascht. Kühn habe ich vor mir selbst behauptet, besser als die anderen zu sein und mit meinen Augen nicht am Handydisplay zu kleben. Und jetzt stellt sich heraus, dass ich schon nervös werde, wenn ich 20 Minuten nicht meine Nachrichten checke. Eigentlich peinlich. Es geht ja auch so schnell. Nur mal kurz gucken, ob er oder sie mir zurüchgeschrieben hat. Und wo ich schon dabei bin, nochmal kurz meine E-Mails. Was geht eigentlich auf Twitter, Instagram und Co. ab? Oh, schon angekommen. Das ging schnell. Noch eben Spotify anmachen und raus aus der Bahn.

Die 30 Minuten, die ich in der Bahn mit irgendeiner Ablenkung von meinem Smartphone verschwenden würde… was habe ich davon? Ich erinnere mich niemals an alle Dinge, die ich an meinem Smartphone alle nacheinander mache. Teilweise ist es so, dass ich, nachdem ich WhatsApp schließe, es direkt wieder öffne. Einfach aus… Reflex? Ich lehne meinen Kopf gegen das Fenster. Das ist doch wirklich bescheuert. Sollte ich die Zeit nicht lieber nutzen, um über Geschehnisse etc. nachzudenken, sie zu verarbeiten, eine Pause von all den Reizen zu machen?

30 Minuten. Ziel erreicht. Ich steige aus der Bahn. Schaue auf mein Handy. Checke E-Mails und WhatsApp. Nichts. Es ist nichts passiert. Ich habe nichts verpasst. Ich stecke mein Handy wieder ein und gehe die Straße runter. Die restlichen Gehminuten sollte ich über vieles nachdenken.

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