Kennt ihr das, wenn ihr euch in Gegenwart bestimmter Personen auf einmal irgendwie komisch verhaltet und euch selbst fragt, warum? Ich hatte letztens eine Situation, in der ich einen Mann kennengelernt habe und Dinge gesagt habe, bei denen ich mir dachte: „Ernsthaft, Johanna?“ Ich glaube, das ist etwas, was wir alle auf die eine oder andere Art und Weise haben, aber woran liegt das? Gehen wir also in den Bereich, aus der alles Schlimme kommt: die Kindheit.

Ich war in der Schule nicht sehr „beliebt“; keine von den cool kids, sondern eher die, die dumm angeguckt wurde, weil sie einen Helm beim Fahrradfahren trug. Ich wurde gehänselt und teilweise auch geschlagen und dabei gefilmt. (Kennt ihr das, wenn ihr etwas aus eurer Kindheit ganz neutral wiedergebt und dann fällt euch auf, dass das eigentlich doch schlimm war, was passiert ist? So geht’s mir gerade. Naja.) Ich hatte andere Hobbys: Videospiele zum Beispiel, irgendwelche Monologe mit mir selbst vor dem Spiegel führen, lesen (ganz viel lesen!) und dann selbst Geschichten ausdenken.

Heutzutage sagen wir zwar alle, dass wir sowieso nicht zu den cool kids gehören wollten und unsere „komische“ Individualität das ist, was uns zu denjenigen, die wir heute sind, gemacht hat. Zum Beispiel sieht man auch immer wieder berühmte Persönlichkeiten, die sagen, dass sie immer Außenseiter waren. Aber das ist nur in Teilen war. Einerseits stimmt es, dass es toller ist, wenn nicht alle gleich sind und jeder seine Schönheit individuell zeigt. Trotzdem wollten wir „komischen kids“ schon irgendwie dazugehören und nicht wegen unserer Hobbys, Aussehen, etc. ausgegrenzt werden. Ist natürlich auch ganz menschlich; Ausgrenzen bedeutete den sicheren Tod, zwar nicht mehr heute, aber der Instinkt von damals ist geblieben.

Schon allein deswegen entstand bei mir automatisch ein Filter als eine Art Schutz. Zeig deinen Mobbern nicht zu viel von dir selbst, denn sie können alles als Material für einen Angriff benutzen. Doch dieser Filter existiert auch aus einem anderen Grund. Nämlich Männern. Oder damals noch eher „Jungs“.

Aus meiner Freundesgruppe war ich diejenige, die fast nie der „Schwarm“ eines Jungen war. Zwar konnte ich dank meines Hobbys des Videospielespielens mich mit den Jungs mehr oder weniger darüber unterhalten, aber mehr als ein „Hä lol die zockt auch?“ war nicht bei ihnen rauszuholen.

Neben meiner Freundin, die regelmäßig einen neuen Typen am Start hatte und dementsprechend überhaupt keine Schwierigkeiten hatte jemanden zu finden, der sich für sie interessierte, fühlte ich mich schlecht und hässlich. Warum war ich denn nicht begehrenswert!?!?!?!?!?!?! Ja, ich weiß, aus heutiger Sicht frage ich mich auch, warum ich so gedacht habe. Eine Beziehung und/oder Sex zu haben sind definitiv nicht alles. Aber wir wissen alle, wie das in der Pubertät ist (peinlich… es ist vor allem peinlich… für alle Beteiligten).

Als ich schließlich meinen ersten Freund bekam (klingt wie ein Preis, war der Typ aber definitiv nicht LMAO), versteckte ich die „verrückte“ und andere Seite von mir komplett. Ich tat immer auf sexy (obwohl ich mich gar nicht sexy fühlte), brav, zurückhaltend, eben das schöne Anhängsel eines Jungen. (Leute, die mich nur von heute kennen und das hier lesen, sind wahrscheinlich geschockt lol.) Dass ich zu Hause meistens wild tanzend neben meiner Box oder vor meinem Nintendo DS zu finden war, wussten nur meine engsten Freunde. Das mit dem Monolog und Spiegel wusste niemand, ist auch besser, wie gesagt, etwas peinlich.

Springen wir zu heute. All diese Dinge liegen nun in der Vergangenheit und ich habe dazugelernt (vor allem, dass dieses hässliche Schminken doch nur eine Phase war). Trotzdem bin ich diese Sachen nicht vollständig los. Der Filter ist teilweise immer noch da. Wenn ich mit (jetzt) Männern, als ich noch single war, unterwegs war, kam der Filter im Hinterkopf in Form einer Stimme angeschlichen: „Denk dran, Johanna, nicht zu laut oder komisch lachen. Das mögen Männer nicht.“ Erst spät habe ich angefangen mich zu fragen: „Aber wer sagt denn, was Männer mögen und was nicht?“ Die Antwort ist ganz klar: die Medien.

Sie wollen uns meist etwas verkaufen und reden uns ein, wir müssten so und so aussehen oder uns so oder so verhalten damit wir einen Partner finden. Wir müssen gefallen. Und zwar nicht als erstes uns selbst, sondern anderen Menschen.

Das wollen wir doch alle, oder? Niemand möchte allein sein, oder? Man MUSS in einer Beziehung sein, sonst ist man nicht glücklich, ODER?!??!

Das hat zur Folge, dass Frauen denken, dass Männer sie vielleicht nicht richtig wegen ihrer Cellulite lieben können, während Männer sich fragen, was das überhaupt sein soll. Männer denken, dass Frauen nur muskelbepackte Kerle wollen, während uns das eigentlich viel zu hart zum Kuscheln wäre. Das ist natürlich nicht alles 1:1 so, wir sind ja auch nicht alle nur Männer und Frauen, aber der größere Konsens ist da.

Und natürlich ist das Bild von Geschlechtern und wie eine Beziehung sein sollte und wie du überhaupt sein solltest von den Medien ein Scheißbild, keine Frage. Die Zeiten, in denen Grace Kelly hübsch neben dem Hauptdarsteller des Films sitzt und sich brav von ihm „Kind“ oder „Kindchen“ nennen lässt, sind zwar vorbei, aber etwas ist immer noch geblieben. Wir haben gelernt, dass die Frau nicht unter dem Mann stehen muss, aber der Schönheitswahn des Bildes der Frau zum Beispiel ist immer noch da. Ist auch ganz klar, tausend Jahre Patriachat macht man nicht in ein paar Jahren weg.

Dieses Problem lässt sich nur mit ehrlicher Kommunikation auf beiden Seiten lösen. Beide Parteien müssen öfter klar sagen, was sie möchten, um so wenigstens etwas gegen das verzerrte Bild, welches wir sonst vorgesetzt bekommen, vorzugehen. Sich gegenseitig sagen, was man möchte, nicht möchte, mag, nicht mag, ist wichtig, denn sonst übernehmen es fremde Einflüsse und das will niemand.

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