„Ist es normal, dass man nachts von der plötzlichen Angst verletzt zu sein aufwacht und dann nicht wieder einschlafen kann?“, frage ich mich nachts, als ich wachliege. „Vermutlich nicht“, murmle ich und drehe mich auf die Seite in dem Versuch wieder einzuschlafen. Doch ich weiß, dass es hoffnungslos ist. Genervt nehme ich mein Handy in die Hand, um eine Ablenkung von den eingebildeten Schmerzen zu finden.
Ich hasse es abends ins Bett gehen zu müssen, denn ich weiß: hier gibt es keine Ablenkung mehr. Jeden Abend wird mit voller Wucht mein Bewusstsein zurück in meinen Körper katapultiert.
Es ist schon fast ironisch, dass der erste Post, der mir auf reddit entgegenschlägt von der Überforderung der jungen Erwachsenen im Heute handelt. Alles wird teurer und es ist schwierig einfache Dinge für sich selbst zu bezahlen wie Miete und Lebensmittel. Wenn ich ausrechne wie viel ich monatlich zur Verfügung bzw. übrig habe, wird mir schlecht. Und ich habe schon drei Jobs.
Und wenn wir von der finaziellen Not mal absehen, gibt es ja noch die Überforderung der beruflichen Laufbahn. Ich denke jeder, der oder die ungefähr in meinem Alter ist, kennt das Gefühl mit der Schule fertig zu sein und absolut gar keine Ahnung zu haben, was man jetzt machen soll. Ich erinnere mich noch genau, wie verzweifelt ich mit 18 war. Die Sicherheit der Schule ist weg, hinausgeschubst und jetzt muss man auf einmal selbst laufen. Die meisten Eltern sind auch keine richtige Hilfe, da sie denken, dass man einfach nur zu faul ist, um sich einen Job zu suchen, aber das ist so entfernt von der Wahrheit wie es nur geht. Es gibt einfach zu viele Auswahlmöglichkeiten. Ich möchte eine Ausbildung machen. Nein, doch lieber studieren. Oder warum nicht beides gleichzeitig? Erstmal ein FSJ oder doch lieber ein FÖJ? Gibt es noch Plätze im Bundesfreiwilligendienst? Häufige Fragen von den Verwandten helfen auch nicht: „Na, was willst du denn jetzt machen? Also ich habe damals…“ Und diese Fragen starten eigentlich schon mit 14 Jahren.
Ich kann meine Freundin verstehen, die erstmal auf Weltreise abgehauen ist, um die Welt zu sehen und sich selbst zu finden. Du machst alles richtig und ich bin stolz auf dich.
Und als wäre die Überforderung mit sich selbst noch nicht genug, kommen auch noch die Reize der restlichen Gesellschaft, hervorgehoben durch die sozialen Medien. Die wenigen glücklichen Seelen, die direkt nach dem Abschluss ihre Traumbeschäftigung gefunden haben, geben das natürlich fröhlich kund, während man selbst daneben sitzt und sich fragt, was verdammt nochmal falsch mit einem ist.
Neben dem Teilen der positiven Sachen gibt es natürlich auch die negativen und die auch nicht zu knapp: während du hier faul rumliegst und angeblich nicht weißt, was du mit deinem Leben machen sollst, würden sich Kinder in Afrika, die neben täglichem Hunger schon genug Probleme haben, wahrscheinlich riesig freuen, wenn sie überhaupt zur Schule gehen dürften! Hast du da vielleicht mal drüber nachgedacht? Und warum machst du eigentlich nicht mehr für die Verteidigung der Ukraine? Die Leute haben echte Probleme! Durch das Wissen schlechterer Zustände anderer Menschen haben wir automatisch ein Verantwortungsgefühl. Wir haben es, obwohl wir ganz genau wissen, dass wir nichts gegen den Welthunger tun können.
Zur Zeiten von Corona war es bei mir besonders schlimm. Jeden Tag mit den Todeszahlen konfrontiert, wurde der Knoten in meinem Magen immer schlimmer. Kann man sich überhaupt vorstellen was diese Zahlen bedeuten? Und wenn ja: sollten wir das überhaupt? Sollten wir in der Lage sein uns die Ausmaße des Todes so vieler Menschen bewusst zu machen?
Stattdessen konsumieren wir dummen Scheiß. Auf TikTok scrollen wir ohne Ende; schließlich wird uns immer etwas neues und besseres vorgeschlagen, was uns daran kleben lässt. Aber selbst der Kosum von idiotischen Sachen wie der nEuEsTeN cHaLlAnGe sind anstrengend. Alle ist anstrengend, aber gleichzeitig auch nicht.
Wir können, so wie ich es gerade auch tue, reflektieren wie es uns geht und was die Ursache dafür ist. Doch trotz dieser Reflektion sind wir Opfer davon. Egal wie viel, Distanz und self care wir aufbauen, irgendwann holt uns der heutige Zeitgeist ein. Ist doch auch irgendwie arrogant sich nicht mit den Neuigkeiten der Welt zu beschäftigen, oder? Interessierst du dich nur für dich selbst?
Es ist ein Problem und Kampf unser heutigen Generation, die wahrscheinlcih nur wir verstehen können. Unsere Elterngeneration hatte ganz andere Probleme. „Schlimmere“ Probleme aus ihrer Sicht bestimmt. Nachvollziehen kann man unsere Hindernisse wohl nicht. Ähnlich wie mit Kinderstars: du hast doch alles! Jede Barbie, jedes Hot Wheels, jedes Kleidungsstück, warum bist du denn nicht glücklich? Bist du etwa undankbar!?
Nein, wir sind nicht undankbar. Uns ist unser Luxus ziemlich bewusst. Nur sind uns andere Dinge, Dinge, die uns eigentlich gar nichts angehen, die uns niemals unter normalen Umständen berühren würden, auch bewusst. Und genau das ist das Problem.
Es ist also kein Wunder, dass mein Körper jetzt, mitten in der Nacht, wo ich eigentlich zur Ruhe kommen sollte, zeigt wie es mir tatsächlich geht. Sonst hat er gar nicht die Chance dazu.