(dated August 2021)

„Naja, du bist ja auch erst 21“, sagt meine Stiefmutter zu mir, als ich ihr erzähle, dass ich mich von meinem Freund getrennt habe, „da kannst du auch mal was anderes ausprobieren.“ Ich packe mir eine kleine Cherrytomate in den Mund. „Was meinst du? Frauen? Das weiß ich schon, dass ich die auch mag.“, sage ich ganz beiläufig.

Innerlich stocke ich ein wenig, denn ich hatte gerade ganz locker mein Coming-Out. Es ist sonst niemand im Haus, der es hätte mitbekommen können, also ist es gar kein richtiges Coming-Out? Was ist das überhaupt?

„Ach so“, macht meine Stiefmutter und wendet sich wieder der Vorbereitung des Abendessens zu. Sie scheint es nicht weiter zu beschäftigen. Mich schon.

Denn neben meinen Freunden habe ich das nie jemandem bewusst gesagt. Ich halte da auch nicht wirklich etwas von. Warum muss ich denn jemanden klarmachen mit wem ich gerne ins Bett gehe? Geht nur mich und die Person in meinem Bett etwas an, oder? Trotzdem habe ich ein komisches Pflichtgefühl gegenüber der Tatsache, dass ich nicht die normale Sexualität habe. Natürlich ist jede andere Sexualität auch normal, nur sind die meisten Menschen eben heterosexuell. Ich nicht. Aber muss ich das jetzt sagen? Und wenn ja, wie denn überhaupt? Als ein Post auf social media? Sage ich es einfach jeder Person, der ich begegne?

Ich vergleiche es oft mit dem Mögen von Essen. Ein Beispiel: ich mag Cornflakes und Schokolade. Ich kann eins mögen, aber auch gerne beides zusammen. Die meisten anderen Menschen mögen Cornflakes, aber nicht Schokolade. Muss ich das jetzt sagen? Hey, ich weiß, die meisten Menschen mögen Cornflakes. Ich wollte nur eben sagen, dass ich auch Schokolade mag. Hoffe, das ist nicht schlimm für dich. Irgendwie komisch, oder? Wen interessiert das eigentlich?

Bis jetzt habe ich es einfach gar nicht gesagt. Denn wozu auch. Meinen Freunden habe ich es bewusst erzählt, aber auch nur, weil ich damals noch verwirrt war und jemandem meine Gefühlswelt offenbaren musste, um damit klarzukommen. Aber sonst? Nö. Vielleicht Frauen, die ich hübsch fand und auf die ich ein Auge geworfen hatte. Das war dann ein lockeres Hey, ich finde dich hübsch. Stehst du auch auf Frauen wie ich?, welches dann einmal von einer Frau mit einem angewiderten Blick beantwortet wurde. Ach, ja, immer wieder toll auf dem Dorf aufzuwachsen.

Muss ich jetzt auf den CSD gehen? Wollte ich eigentlich letztes Jahr, einfach nur um mal zu gucken wie das so ist, aber wir wissen ja alle was dann passiert ist.

Versteht mich nicht falsch. Diese Welt ist leider weit weg davon andere Sexualitäten als Heterosexualität zu akzeptieren und zu normalisieren, aber wir, die in den Ländern leben, in denen es nicht weiter beachtet wird und nicht mit dem Tode bestraft werden, wie gehen wir damit um? Wir müssen doch nicht jedes mal ein Theater darum machen, denn wir sind genau so normal wie alle anderen Menschen auch.

Das sind meine ungeordneten Gedanken zu diesem Thema. Bestimmt habe ich jetzt irgendetwas nicht beachtet und trete irgendjemandem auf die Füße. Seht es mir nach, ich kann mich nicht in jeden hineinversetzen.

Oder ist das jetzt mein Coming-Out? Ich meine, ich schreibe es jetzt ins Internet, da muss es ja real sein. Naja. Für alle, die mich noch nicht kennen also: Ich mag Schokolade und Cornflakes. Hoffe, das ist nicht schlimm für euch.

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