(dated Juni 2021)

„Mach dir doch auch Instagram“, sagt meine Kommilitonin grinsend zu mir, „kannst ja auch einen machen, wo du nichts postest, sondern nur andere stalkst.“ Ich lächel sie ungläubig an. „Nein, danke“, sage ich, „ich brauche das wirklich nicht.“

Und ich brauche das auch wirklich nicht. Diese Art der Selbstdarstellung ist mir… unangenehm.

Aber du bist doch Schauspielerin! Solltest du es da nicht lieben so viel Aufmerksamkeit zu bekommen? Äh, weiß nicht? Mir wäre es einfach lieber Aufmerksamkeit für etwas zu bekommen, das mehr Inhalt hat als „Heute habe ich mir Chai Latte selbst gemacht und mir dann Locken gedreht“.

In der heutigen Zeit aufzuwachsen ohne sich ständig selbstdarstellen zu wollen ist… schwierig. Und vor allem ist es anstrengend schief angeguckt zu werden, weil man keine 32 social media Accounts hat.

Fun fact: einmal hat mich ein Typ, der Interesse an mir hatte, mich nach meinem Instagram-Namen gefragt und als ich sagte, dass ich keinen Account habe, meinte er: „Ach komm schon, jetzt sag doch.“ Er dachte wirklich, dass ich hard to get spiele. Faszinierend.

Aber genug der Emotionalität und weiter mit einer kleinen Geschichte. Damals als ich in der 8. oder 9. Klasse war, war facebook ganz groß (obwohl die heilige Zeit schon vorbei war) und alle meine Freunde hatten es. Schon da ging es darum ein besonders schönes Foto von sich zu posten und so viel Aufmerksamkeit, Likes und „ooohh mein gott süße du bist so schööööön“-Kommentare von der besten Freundin und anderen zu bekommen. Das beliebteste Mädchen in unserer Klasse hatte immer über 100 Likes auf jedes ihrer Fotos und ich dachte mir: „Die muss glücklich sein.“

Lange Zeit hatte ich keinen Account, weil meine Eltern mir das (aus gutem Grund) nicht erlaubt haben. Eines Tages (nach sehr viel Druck durch Gruppenzwang) dachte ich mir: „Ach, es ist doch nichts schlimmes dabei Fotos von sich zu posten und zu hoffen ein paar Likes zu bekommen, oder?“ HA, WIE UNSCHULDIG VON MIR. Ich erstellte mir also einen Account mit 15 Jahren (sorry, Mama, falls du das hier liest, mittlerweile ist er auch gelöscht!). Als ich ein besonders schönes Foto postete bekam ich sogar Likes, zwar „nur“ 20, aber es war auch ein Like von dem beliebtesten Mädchen unserer Klasse dabei! Oh mein Gott! Ich hatte es geschafft!

Erstaunlicherweise musste ich dann doch feststellen, dass mein für immer währendes Glück nicht erreicht war. Ach, was! Es lag bestimmt nur daran, dass ich mehr Likes bekommen musste. Dann würde es soweit sein!

Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, so mit… 17 Jahren. Die (manchmal sogar hohe Anzahl) von Likes gab mir nichts; sie machte mich weder glücklich noch traurig. Ich fand es unnötig. Vor allem weil der einzige Sinn dieses „sozialen Mediums“ war mich auf irgendeine Weise selbstdarzustellen und ganz ehrlich: ich hatte einfach besseres zu tun.

Heute habe ich Accounts bei Twitter (für witzige Tweets, weil ich echt einfach super witzig bin wie ich finde) und Reddit (für memes, die ich meinen Freunden zeigen kann, oder mir selbst). So viel also zu meiner eigenen Erfahrung. Ich finde, ich bin noch „glimpflich davon gekommen“, wenn man beachtet, dass wesentlich jüngere Menschen als ich damals war mehr social media Accounts haben als ich jetzt. Und sie eben auch aktiv nutzen. Aber nicht nur 12jährige sind dem Likewahn verfallen, siehe meine Kommilitonen, die in meinem Alter sind.

Der ständige Drang alles zu posten, was in deinem Leben vorgeht, hält uns davon ab, die Momente tatsächlich zu genießen. Wir machen uns mehr Gedanken darüber, wie viele Leute ein Herz auf ihrem Smartphone in Bezug auf deinen Post anklicken, als darüber was unsere engsten Freunde und Familie von uns hält. Und das führt zu Unzufriedenheit. Denn du kannst nicht gewinnen. Was heißt es überhaupt zu gewinnen? Dass du mehr Likes als deine Freunde hast? Als deine Familie? Als irgendein Star auf der Plattform? Es wird immer jemanden geben, der mehr Likes, Aufrufe, Follower hat. Und selbst, wenn du das schaffen würdest, müsstest du das Level auch halten und wir alle wissen, wie schnell das Internet seine Meinung über und Interesse an Dinge(n) wechselt. Du kannst nicht gewinnen, weil du nur verlieren kannst.

Aber man kann Instagram ja auch nur nutzen, um Fotos von sich zu posten ohne darauf zu achten wie viele Likes man bekommt. Ja? Ich möchte die Person sehen, der das wirklich zu 100% egal ist. Denn wenn du auf einer solchen Plattform bist, willst du dich automatisch (gut) selbstdarstellen, sonst würdest du diese Momente einfach erleben und sie nachher vielleicht anderen erzählen, aber nicht alles darüber auf deinem Profil breittreten.

Versteht mich nicht falsch: mir ist es echt egal, was jeder einzelne Mensch für sich entscheidet. Postet so viele besonders schöne Fotos von euch wie ihr wollt. Wenn ihr glücklich seid, bin ich es auch. Aber wir sollten es in unserer Gesellschaft nicht als Norm betrachten sich irgendwo online ständig selbst Zucker in den Arsch zu blasen. Eventuell ist es dafür aber schon zu spät.

So. Ich twittere jetzt wie witzig ich bin.

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