dated April 2021
„Ja, jaaaaaa…“, macht mein Dozent und unterbricht mich damit mitten in meinem Monolog. Ich höre auf zu spielen und gucke ihn erwartungsvoll an. Was habe ich jetzt nicht richtig gemacht? Wo soll ich mich verbessern? Er nimmt seine Brille ab, die schon wieder durch das Tragen eines Mundschutzes beschlagen ist und sagt mir etwas, das er mir eben schon gesagt hat; welche Intention meine Rolle hat; was sie erreichen will; was ich dementsprechend rüberbringen muss.
Äußerlich höre ich aufmerksam zu, doch innerlich trete ich mir selbst in den Arsch, weil ich das Gesagte doch bereits gehört habe und es doch auch eigentlich verstanden habe. Ich bin im letzten Semester, mache bald meinen Abschluss und bekomme es nicht hin, das zu spielen, was von mir verlangt wird. Was ist denn mein Problem?
In den drei Jahren, die ich jetzt meine Ausbildung gemacht habe, hatte ich solche Situationen oft. Als ich in den frühen Semestern war, habe ich mir immer gesagt: „Du bist doch erst im zweiten Semester, da fällt dir sowas einfach noch etwas schwer. Das kommt noch.“ Auch Dozenten haben mir genau das gesagt und es hat geholfen mir selbst in der Hinsicht nicht so viel Stress zu machen. Doch jetzt…
Jetzt habe ich Schuldgefühle. Ich fühle mich schuldig, weil ich denke, dass ich niemals einer Rolle gewachsen sein werde.
Dass ich mich schuldig fühle ist natürlich scheiße, aber die Begründung dafür ist eigentlich ganz richtig. Ich glaube nämlich nicht, dass jemals irgendein*e Schauspieler*in ganz und gar einer Rolle gewachsen sein wird und zu 100% alles spielen kann, was in der Figur steckt. Und das ist auch gut so.
Ich kann mich noch daran erinnern, als Mads Mikkelsen als Nachfolger von Johnny Depp (als Grindelwald in den „Fantastische Tierwesen“-Filmen) angekündigt wurde. Viele haben sich (in einer längeren Diskussion auf reddit, ganz toller Ort im Internet /s) darüber aufgeregt, dass Mads Mikkelsen Grindelwald niemals so GUT, so TOLL, so INDIVIDUELL, auf Johnny Depps Art und Weise spielen könne. Und das stimmt.
Aber gerade das ist das interessante an Schauspiel. Niemand kann einen anderen Schauspieler imitieren und eine Rolle genau so wie jemand anderes spielen. Genau so wenig gibt es „die eine“ Schauspielmethoden, nach der man ALLE Schauspieler ausbildet. Schauspiel ist etwas so individuelles, dem niemand gewachsen ist und genau das macht es zur Kunst.